EINLEITUNG:
In den letzten 50 Jahren ist in der westlichen Kultur das Interesse am Prozess der Meditation eindrucksvoll gewachsen.
Die Techniken begegneten dem westlichen Geist zuerst in den religiösen Formen des japanischen Zen, des hinduistischen Yogas, des südasiatischen Vipassana, des chinesischen Taoismus und des tibetischen Buddhismus. Nach und nach lösten sich die Praktiken von ihren religiösen, sektiererischen Formen und wurden zu allgemeineren "spirituellen" und psychologischen Interpretationen.
In der Medizin wird Meditation langsam als ein praktikables, nicht-invasives, nicht-medikamentöses Mittel zur Behandlung von Angst und Stress akzeptiert. Unternehmen werden ermutigt, "Achtsamkeitspraktiken" in ihre Unternehmenskultur zu integrieren, um ihre Effizienz zu steigern.
Gegenwärtig kann Meditation als die ultimative Biohacker-Methode angesehen werden, bei der der Geist selbst genutzt wird, um den Verstand zu hacken.
Die Wissenschaft hat eine wachsende Faszination für die Neurologie der Meditationspraktiken entwickelt und in der akademischen Welt hat man sich langsam dazu durchgerungen, dieser Forschung Glaubwürdigkeit (und finanzielle Mittel) zu verleihen.
Einst ein akademisches Tabuthema, kann das Bewusstsein heute auch jenseits der Philosophie und der marginalen Psychologie untersucht werden.
Werfen wir einen kurzen Blick darauf, was wir von der Wissenschaft über Meditation lernen.
GRUNDLAGEN DER HIRNNEUROLOGIE:
Ein supereinfacher Ansatz für die Neurologie des Gehirns besteht darin, Erfahrungen in das Externe/Außen und das Interne/Innere zu unterteilen. Extrinsisch = äußerlich/außerhalb und intrinsisch = innerlich/innerlich. Zum Extrinsischen gehören unsere Begegnungen mit der Umwelt und die Aufgaben, die wir erfüllen, und zum Intrinsischen die Erfahrungen, die direkt mit uns selbst zu tun haben. Zum Extrinsischen gehören Aufmerksamkeit, sensorische und motorische Aktivitäten.
Die extrinsischen Elemente werden manchmal auch als "aufgabenpositive Netzwerke" (TPN) bezeichnet. Die Wissenschaft hat die intrinsischen Aspekte weniger gut verstanden und bemüht sich, dies nachzuholen. Sie scheinen bei geistigen Aktivitäten wie der Vorstellung ihrer Zukunft oder der Rekonstruktion eines Ereignisses aus dem Gedächtnis zu dominieren.
Hier ist ein wichtiger Punkt - Systeme (technisch gesehen "Netzwerke"), die extrinsisch sind, und die anderen, die intrinsisch sind, stehen in der Regel in "Konkurrenz" zueinander.
Der wissenschaftliche Begriff lautet "Anti-Korrelation". Selbst wenn sie "in Ruhe" sind (was bedeutet, dass sie in diesem Moment nicht aktiv mit dem beschäftigt sind, was sie normalerweise tun), scheint diese konkurrierende "Anti-Korrelation" immer noch grundlegend für ihre Beziehung zu sein.
Dies scheint sogar während des Schlafs der Fall zu sein. Anti-Korrelation bedeutet im Grunde, dass, wie bei einer Wippe, wenn die eine oben ist (aktiv), die andere unten ist (passiv).
Die Interaktionen zwischen dem extrinsischen und dem intrinsischen System sowie die Interaktionen innerhalb des extrinsischen und des intrinsischen Systems werden technisch als "funktionelle Konnektivität" bezeichnet.
Die medizinische Wissenschaft befasst sich aktiv mit der "funktionellen Konnektivität", da diese bei Krankheiten wie Alzheimer, Autismus und ADHS gestört zu sein scheint. Die "funktionelle Konnektivität" scheint auch bei psychedelischen Erfahrungen vorübergehend beeinträchtigt zu sein, und die positive/negative Bewertung dieses Phänomens wird zur Zeit intensiv erforscht.
Es stellt sich sofort die Frage, wie diese "Anti-Korrelation" zwischen äußerer und innerer neurologischer Aktivität mit der Meditation zusammenhängt.
Noch interessanter ist die Frage, ob diese "Innen/Außen"-Dynamik unveränderlich ist oder ob es möglich ist, diese Gehirnneurologie mit "mentalen" Techniken zu verändern.
DAS STUDIUM DER MEDITATION:
Meditationsstudien stecken noch in den Kinderschuhen und nicht jede Studie liefert genau das gleiche Ergebnis.
Abgesehen von den Unterschieden in der angewandten Technologie und den Studiendesigns ist der offensichtlichste Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse die höchst subjektive Fähigkeit einer Testperson, die gewählte Technik zu beherrschen - insbesondere, wenn sie in einer potenziell störenden und fremden Umgebung arbeiten muss.
Die neurologische Forschung hat sich mit der Meditation befasst und teilt die große Anzahl von Techniken in drei große Kategorien ein:
1) Fokussierte Aufmerksamkeit (FA);
2) Achtsamkeit oder Offene Beobachtung (OM);
3) Nicht-duales Gewahrsein (NDA).
In einer groß angelegten Studie, an der Personen teilnahmen, die in verschiedenen Meditationstechniken sehr erfahren waren, wurden die folgenden faszinierenden Ergebnisse erzielt:
1) In der Focused Attention (FA) Meditation:
a. FA-Meditationen beruhen in erster Linie auf der freiwilligen endogenen Aufmerksamkeit, die durch das Dorsal Attention Network (DAN - Teil des extrinsischen Systems) vermittelt wird.
b. Das DAN funktioniert in erster Linie bei der räumlichen Orientierung und ermöglicht das Zielen innerhalb des Wahrnehmungsfeldes.
c. Die Anti-Korrelation (Konkurrenz) zwischen extrinsischen/externen und intrinsischen/internen neurologischen Systemen nahm zu und wurde während der Meditationstechniken im Stil der Fokussierten Aufmerksamkeit (FA) stärker.
d. Die Korrelationen waren bei erfahrenen Meditierenden höher als bei Kontrollpersonen, sowohl in Ruhe als auch während der Meditation.
2) Achtsamkeits- oder Open Monitoring (OM) Meditation:
a. OM-Meditationen stützen sich in erster Linie auf die unwillkürliche exogene Aufmerksamkeit/Wachsamkeit, die durch das rechtslaterale Ventrale Aufmerksamkeitsnetz (VAN - Teil des extrinsischen Systems) vermittelt wird.
b. Das VAN ist oft funktionell mit dem DAN verwandt und agiert fast unwillkürlich, da es räumlich für das weite Feld des Bewusstseins sensibilisiert ist.
c. Die Anti-Korrelation (Konkurrenz) zwischen extrinsischen/externen und intrinsischen/internen neurologischen Systemen nahm zu und verstärkte sich während Achtsamkeits- oder Open Minded (OM) Meditationstechniken.
d. Die Korrelationen waren bei erfahrenen Meditierenden höher als bei Kontrollpersonen, sowohl in Ruhe als auch während der Meditation.
3) Non-Dual Awareness (NDA) Meditation:
a. Die Ergebnisse liefern weitere Beweise für die Behauptung, dass sich NDA-Meditationen sowohl von FA- als auch von OM-Meditationen unterscheiden.
b. Während FA- und OM-Meditationen traditionell als "konstruierte" Zustände angesehen werden, die durch den Einsatz spezifischer Aufmerksamkeitsstrategien erzeugt werden, geht man davon aus, dass NDA-Meditationen keine absichtliche Anstrengung erfordern, sondern auf der Identifizierung eines reflexiven Bewusstseins beruhen, das als "unkonstruiert" angesehen wird.
c. Sowohl FA- als auch OM-Meditationen sind inhaltsorientiert, d.h. sie befassen sich mit den Besonderheiten der Erfahrung, während NDA-Meditationen als primär kontextorientiert angesehen werden könnten, d.h. sie befassen sich mit dem Kontext der Erfahrung.
d. Während der NDA-Meditation wurde weniger Anti-Korrelation (Konkurrenz) zwischen dem extrinsischen und dem intrinsischen System festgestellt.
e. Dies könnte als Hinweis darauf interpretiert werden, dass NDA durch andere neuronale Mechanismen vermittelt wird als die Aufmerksamkeitssysteme, die FA und OM vermitteln, oder alternativ, dass die beiden Aufmerksamkeitssysteme bei NDA anders funktionieren als bei FA und OM.
f. Die wichtigste Entdeckung ist, dass die NDA-Meditation im Vergleich zur FA- und OM-Meditation eine entgegengesetzte Wirkung auf die Anti-Korrelation zwischen intrinsischen und extrinsischen Systemen hat.
ZUSAMMENFASSUNG:
Wir müssen noch viel über Meditationstechniken lernen und die moderne Wissenschaft sollte den traditionellen Anleitungen und Perspektiven große Aufmerksamkeit schenken. Es ist leicht zu erkennen, dass "Meditation" genauso wenig eine Sache ist wie "Bewegung" eine Sache ist.
In beiden Fällen gibt es viele Methoden, die jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
In vielen Kreisen wird beispielsweise der Frequenzbereich der Alpha-Gehirnwellen (8 - 13 Hz) mit dem Zustand der "Meditation" gleichgesetzt.
In der neurologischen Spitzenforschung wird der Frequenzbereich von 8-13 Hz zunehmend als Hauptfaktor für die Aufrechterhaltung eines geordneten Ich-Zustandes identifiziert, während andere Informationsbereiche ausgeklammert werden.
Dieser "geordnete Ich-Zustand" ist für das psychologische Wohlbefinden von grundlegender Bedeutung. Wenn das Ziel jedoch eine wandelbarere und anpassungsfähigere Erweiterung des "Selbst" ist, führt die ständige Verstärkung des "geordneten Ich-Zustands" durch Alpha-Resonanz möglicherweise nicht zum besten Ergebnis.
Sicherlich ist es bestenfalls einschränkend und potenziell irreführend, die Alpha-Gehirnwellenresonanz direkt mit allen ausgereiften Meditationszuständen gleichzusetzen.
Die gute Nachricht ist, dass wir die Fähigkeit haben, unseren Verstand einzusetzen, um unsere Gehirnneurologie zu verändern. Grundlegende neurologische Beziehungen können durch gut ausgearbeitete Techniken in eine neue Dynamik gebracht werden.
Es gibt derzeit viele Quellen, die Meditationsübungen anbieten. Es gibt auch eine neue Kategorie von Technologien, die vorgeben, "sofortige" Meditation ohne jegliche Übung zu ermöglichen.
In Anbetracht der Tatsache, dass verschiedene klassische Meditationstechniken tatsächlich unterschiedliche Wirkungen haben, die verschiedene Aspekte der Neurologie des Gehirns nutzen, erfordern die Behauptungen kommerzieller "Meditations"-Technologien eine sensible Bewertung.
Referenzen:
1) Einfluss der Meditation auf antikorrelierte Netzwerke im Gehirn, Zoran Josipovic, Ilan Dinstein, Jochen Weber und David J. Heeger, Frontiers in Human Neuroscience, veröffentlicht: 03 Januar 2012
doi: 10.3389/fnhum.2011.00183
2) Netzwerke im Ruhezustand und Bewusstsein: Veränderungen der Konnektivität mehrerer Ruhezustandsnetzwerke
in physiologischen, pharmakologischen und pathologischen Bewusstseinszuständen, Lizette Heine1, Andrea Soddu, Francisco Gómezn ,Audrey Vanhaudenhuyse, LuabaTshibanda, MarieThonnard ,Vanessa Charland-Verville, Murielle Kirsch, Steven Laureys und Athena Demertzi, veröffentlicht: 27 August 2012, doi: 10.3389/fpsyg.2012.00295
3) Einfluss der Meditation auf anti-korrelierte Netzwerke im Gehirn, 2012, Frontiers in Human Neuroscience, Zoran Josipovic
4) Extrinsic and Intrinsic Systems in the Posterior Cortex of the Human Brain Revealed during Natural Sensory Stimulation, Yulia Golland, Shlomo Bentin, Hagar Gelbard, Yoav Benjamini, Ruth Heller, Yuval Nir, Uri Hasson and Rafael Malach; Cerebral Cortex April 2007;17:766-777, doi:10.1093/cercor/bhk030, Advance Access publication May 12, 2006
5) Vorderseite. Hum. Neurosci., 03 February 2014 | The entropic brain: a theory of conscious states informed by neuroimaging research with psychedelic drugs, Robin L. Carhart-Harris und andere
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